eizen mit Holz: Klimaneutrale Energie? Von wegen
Die Suche nach Alternativen zu Gas erhöht den Druck auf Europas Wälder. Ein Report zeigt: Für Pellets werden auch ganze Holzstämme verfeuert – subventioniert von der EU.
Von Hristio Boytchev
5. April 2022, 12:00 Uhr 332 Kommentare
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Heizen mit Holz: Nicht zu übersehen: In der Heizkraftwerk- und Pelletproduktionsanlage FICA HPCI im französischen Bazancourt werden mitnichten nur Industrieabfälle verwertet.
Nicht zu übersehen: In der Heizkraftwerk- und Pelletproduktionsanlage FICA HPCI im französischen Bazancourt werden mitnichten nur Industrieabfälle verwertet. © Forest Defenders Alliance
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In Europa werden offenbar massenweise ganze Holzstämme in Kraftwerken verbrannt oder zu Pellets verarbeitet. Das zeigt ein Report der Forest Defenders Alliance (FDA) mithilfe von Satellitenbildern und Vorortaufnahmen, den ZEIT ONLINE vorab einsehen konnte. Baumstämme zu verbrennen, ist zwar erlaubt. Die Praxis widerspricht aber den Darstellungen von Befürwortern von Holz als nachhaltiger Energiequelle. Auf EU-Ebene findet gerade eine Debatte statt, ob die aktuelle Subventionierung eingeschränkt werden soll. Kritiker bezeichnen sie als klima- und umweltschädlich.
Holz wird als nachhaltige und klimaneutrale Energiequelle behandelt und gefördert, weil es sich um einen nachwachsenden Rohstoff handelt: Holz, das in einem Kraftwerk verbrannt wird, stößt Kohlendioxid in die Atmosphäre aus. Gleichzeitig nehmen wachsende Wälder Kohlendioxid aus der Luft auf. Wenn so viel verbrannt wird wie nachwächst, so lautet das Argument, sei das klimaneutral.
An dieser Darstellung äußern zunehmend Wissenschaftler, Politik und NGO Kritik. Denn gesunde Wälder spielen nicht nur eine wichtige Rolle für die Biodiversität. Holz ist auch ein begrenzter Rohstoff, der als Baustoff dienen, zu Möbeln verarbeitet oder in der Papierindustrie verwertet werden kann – und dabei weiterhin Kohlenstoff speichert. Selbst wenn Holz fossile Energieträger ersetzt, werde seine Verbrennung die Erwärmung über Jahrzehnte bis Jahrhunderte verstärken, schreiben über 500 Wissenschaftler in einem offenen Brief an Staatsoberhäupter. Beim Verbrennen von Holz gelange zwei- bis dreimal so viel Kohlenstoff in die Luft wie bei der Verwendung von Kohle oder Gas.
Feuchtes Holz zu verbrennen ist ineffizient
Wenn Bäume gefällt und verbrannt werden, geht in der Regel ein Großteil des lebenden Holzes verloren, bevor es Energie liefern kann. Holz zu verbrennen ist auch nicht effizient, da es viel Feuchtigkeit enthält. An diesen Tatsachen würden auch Nachhaltigkeitsstandards für die Waldwirtschaft nichts ändern, schätzen die Wissenschaftlerinnen. Sie fordern daher, Holzverbrennung nicht mehr als klimaneutral zu bezeichnen und seine Verbrennung zu subventionieren.
Befürworter der Holzverbrennung widersprechen. Der Brief sei irreführend, entscheidend sei, dass der Wald die Emissionen der Verbrennung wieder binde, sagt Christian Rakos, Geschäftsführer des österreichischen Industrieverbands proPellets.
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In der Debatte geht es auch darum, ob Wald so weit wie möglich sich selbst überlassen werden sollte oder als Ressource genutzt wird. Dabei spielen auch die verschiedenen Arten von Holz eine Rolle. Weniger problematisch ist das Verbrennen von Teilen, die kaum anders genutzt werden können. Dazu gehören Sägespäne, die in der Holzverarbeitung anfallen, Rinde oder Äste. Aus dem neuen FDA-Report geht jedoch hervor, dass offenbar massenweise ganze Holzstämme verbrannt werden. Dem Augenschein nach könnten sie zumindest teilweise auch anders verarbeitet werden.
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Die Aktivistinnen analysierten dazu Satelliten- und Fotoaufnahmen von Holzkraftwerken und Pelletherstellern in mehreren EU-Staaten. Insgesamt sind es 43 Anlagen, darunter sieben in Deutschland und Österreich. Der Report folgert, dass die meisten von ihnen erhebliche Mengen an ganzen Holzstämmen verwenden, darunter offenbar auch alte Bäume aus natürlichen Wäldern.
Irreführende Behauptungen auf den Websites
Den Umweltschützerinnen zufolge macht etwa ein Viertel der Unternehmen irreführende Behauptungen auf ihren Websites, etwa, dass sie Sägespäne verwendeten, ohne Stammholz zu erwähnen. So heißt es auch auf der Website des Deutschen Pelletinstituts, einer Organisation des Verbands von Pelletherstellern: "Holzpellets werden aus Holzspänen hergestellt, die im Sägewerk anfallen." Der österreichische Verband proPellets schreibt: "Holzpellets sind ein umweltfreundlicher Festbrennstoff, der aus gepressten Sägespänen und ähnlichen Industrieabfällen aus der Holzverarbeitung hergestellt wird." Auf Anfrage verteidigt proPellets Geschäftsführer Rakos die Aussage. In Österreich würden Pellets zu 100 Prozent aus Nebenprodukten hergestellt. Die Holzstämme, auf die sich der FDA-Report beziehe, würden zuerst zu Brettern verarbeitet.
Viele der Anlagen berufen sich auch auf die angebliche Klimaneutralität und Sauberkeit des Rohstoffs. Der Interessenverband Bioenergy Europe schreibt auf seiner Website: "Bioenergie ist klimaneutral." Auf der Website des deutschen Industrieverbands Bioenergie ist prominent ein Logo "klimaneutral!" platziert, Strom aus Holzverbrennung wird als "sauber" bezeichnet. Die Verbände verteidigen auf Anfrage die Aussage mit der Begründung, dass Holz Teil des Kohlenstoffkreislaufs sei. Für die gesundheitsgefährdenden Feinstaubemissionen – ein weiterer Kritikpunkt an der Holzverbrennung – seien vor allem veraltete Anlagen von Privathaushalten verantwortlich. Moderne Holzenergieanlagen müssten strenge Staubgrenzwerte einhalten.
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Sortierung Neueste zuerst Leserempfehlung Nur Leserempfehlungen
gzahnow #1 — vor 8 Monaten Leserempfehlung 31
Ihrem Bericht liegt ein logischer Fehler zugrunde. Um die Subventionierung von Holzfeuerung in Frage zu stellen reicht es nicht aus, die Verfeuerung von ganzen Stämmen nachzuweisen. Sie müssen nachweisen, dass die Stämme zu diesem Zweck gefällt wurden. Erst dann wird Ihre Argumentation schlüssig.
Eigenverantwortlichkeit ist langfristig besser #1.1 — vor 8 Monaten Leserempfehlung 46
Die Logik der Gesamtbetrachtung zeigt nur eines: egal was man tut, es hat negative Auswirkungen, wenn es zu viel wird. Warum wird alles mögliche diskutiert und angeprangert, nur das Naheliegende nicht: es gibt schlichtweg zu viele Menschen auf der Erde und es muss eine Eindämmung der Vermehrung stattfinden. Maximal ein Kind für jeden und nach zwei Generationen wären alle Probleme gelöst.
Lincoln Six Echo #2 — vor 8 Monaten Leserempfehlung 31
Ich habe noch nie an die Klimaneutralität beim Verbrennen von Holz geglaubt. Das ist doch Augenwischerei. Und was den Feinstaub betrifft, ist die Belastung durch den heimischen Kamin exorbitant hoch:
https://www.spiegel.de/wisse…
GoaSkin #2.1 — vor 8 Monaten Leserempfehlung 9
Die ganze Logik ist Humbug, dass Verbrennung klimaneutral sein kann, weil ja alle vorher einmal gewachsen ist und dabei der Atmosphäre CO2 entzogen hat.
Kohle und Gas gibt es auch nur deshalb im Erdreich, weil dort vor Urzeiten mal etwas vermodert ist. Mit dieser Argumentation dürfte es demnach eigentlich nur Bio geben.
Das wirkliche Problem ist, dass durch die intensive Verfeuerung auf der Welt Unmengen von CO2 auf einmal emittiert wird und die Natur nicht darauf ausgelegt ist, dass permanent vielfache Mengen an CO2 in die Atmosphäre gelangen, wie das auf natürliche Weise der Fall wäre. Da nutzt es auch nicht, wenn man hier etwas als Bio betrachtet.
Avatarbild von Darth Nihilus
Darth Nihilus #3 — vor 8 Monaten Leserempfehlung 12
Ja, schreibe ich hier immer mal wieder seit über einem Jahr.
Zum Beispiel hier:
https://www.zeit.de/video/20…
Die EU interessiert das aber null und nichts seit vielen Jahren.
Und nun?
Avatarbild von Darth Nihilus
Darth Nihilus #3.1 — vor 8 Monaten Leserempfehlung 7
Die weiterführenden Links aus meinem verlinkten Kommentar:
CNN Dossier:
https://edition.cnn.com/inte…
Expertenbrief an die ERU von 2018:
https://www.pfpi.net/wp-cont…
cpt blaubär #4 — vor 8 Monaten Leserempfehlung 20
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Avatarbild von Cyclohexatrien
Cyclohexatrien #4.1 — vor 8 Monaten Leserempfehlung 15
Und insofern ist auch das Argument (siehe Artikel) valide:
"Wirtschaftlich sei es ohnehin nicht sinnvoll, hochwertiges Holz zu verbrennen, das anders genutzt werden kann."
Das einzige Problem, das ich dem Artikel entnehmen kann, ist: falls Subventionen für Pellets dazu führen, dass sich diese Schere schließt, wäre das kontraproduktiv. Denn Holz zu verbauen ist CO2-negativ, Holz zu verbrennen ist nur (aber immerhin) CO2-neutral. Also wäre ersteres zu fördern, nicht letzteres.
Einen Aufreger habe ich jedenfalls im Artikel vergeblich gesucht.
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In Europa werden offenbar massenweise ganze Holzstämme in Kraftwerken verbrannt oder zu Pellets verarbeitet. Das zeigt ein Report der Forest Defenders Alliance (FDA) mithilfe von Satellitenbildern und Vorortaufnahmen, den ZEIT ONLINE vorab einsehen konnte. Baumstämme zu verbrennen, ist zwar erlaubt. Die Praxis widerspricht aber den Darstellungen von Befürwortern von Holz als nachhaltiger Energiequelle. Auf EU-Ebene findet gerade eine Debatte statt, ob die aktuelle Subventionierung eingeschränkt werden soll. Kritiker bezeichnen sie als klima- und umweltschädlich.