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Teil I
Neue Trends in der Ernährungswissenschaft
Getreideprodukte wie Brot, Brötchen, Kleingebäck, Cornflakes, Nudeln und Reis bilden die Basis der Ernährungspyramide bzw. das größte Segment des Ernährungskreises, die den Verbrauchern anschaulich machen sollen, wie eine gesunde Ernährung aussieht. Seit Jahren erfahren die pflanzlichen Lebensmittel bei Empfehlungen für eine gesunde Ernährung eine besondere Wertschätzung. Fleisch und andere tierische Lebensmittel sowie Fette spielen darin bislang nur eine untergeordnete Rolle. Eine solche getreide (d.h. kohlehydrat-) betonte Kost sollte u.a. das Risiko verringern, an den meist verbreiteten Zivilisationskrankheiten zu erkranken. Dass dies tatsächlich eine präventiv wirksame Ernährung ist, war aber niemals vor Abgabe der Empfehlungen wissenschaftlich belegt wurden.
Mit verbesserter Qualität der ernährungswissenschaftlichen Studien zeigte sich in den letzten Jahren zunehmend, dass dies auch nicht zutrifft.
Vor allem zwei große Studien aus den USA, die Nurses Health Study und die Health Professionals Study [1], ergaben, dass die bisher empfohlene, kohlehydratbetonte Ernährungsform bei Frauen keinen signifikanten bzw. bei Männern einen marginal signifikanten, aber kaum erwähnenswerten präventiven Effekt erzielt.
Die amerikanischen Studienleiter von der renomierten Bostoner Harvard Universität fordern daher, die bislang übliche Ernährungspyramide "umzubauen" und neuen Erkenntnissen anzupassen. Milch/Milchprodukte, Fleisch, Fisch und Eier würden von der dritten Stufe auf die zweite Stufe rücken und so eine deutliche Aufwertung erfahren. Bei den pflanzlichen Produkten soll eine Verlegung des Schwerpunktes von den Getreideprodukten hin zu kohlehydratarmem Gemüse, Obst, Nüssen, Salat und Öl auf der untersten (Basis-) Stufe stattfinden.
Immer mehr Stoffwechselstudien sprechen dafür, dass diese Lebensmittelkombination gesundheitliche Vorteile bringt. Kein Wunder, kommt sie doch jener Ernährungsweise am nächsten, die unsere Vorfahren seit Urzeiten gut genährt und gesund gehalten hat und an die der Mensch offenbar am besten angepasst ist.
Art-/gengerechte Ernährung des Menschen
Auf der Suche nach der optimalen Ernährung für die menschen in Wohlstandsgesellschaften geht die Ernährungswissenschaft verschiedene Wege. Beispielsweise werden die Ernährungsweisen verschiedener Völker und deren Veränderung im Lauf der Zeit in Beziehung zur Gesundheit bzw. zu Krankheiten gesetzt.
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Die erhofften Erfolge - weniger Dicke, Zuckerkranke und Herzinfarkttote - blieben bei Befolgen der Empfehlungen (kohlehydratreiche Nahrung) nicht nur aus, die Zahlen nehmen weiterhin, insbesondere auch in westlichen Gesellschaften, in beängstigendem Ausmaß zu.
Zur Aufklärung dieser Diskrepanzen tragen auch Anthroplogen und Molekularbiologen bei.
Denn auf der Suche nach einer gesund erhaltenden Ernährung hat die Ernährungswissenschaft offenbar nicht weit genug in die Vergangenheit geblickt.
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Ein kurzer Blick zurück in die Geschichte der Menschheit:
Die Entwicklung des Homo habilis war von dramatischen Klimaänderungen begleitet. Die riesigen afrikanischen Regenwälder schrumpften zusammen, es entstanden karge Steppen und Savannen.
Hatten unsere Vorfahren zum Teil noch auf Bäumen gelebt und sich von Blättern und Früchten ernährt, so fanden sie jetzt nicht mehr genug Nahrung. Sie konnten nur überleben, wenn sie ihren Lebensraum ausdehnten und sich nach anderen Nahrungsquellen umsahen.
Als erste tierische Kost standen vermutlich Insekten, Maden und Würmer auf dem Speiseplan, denn die waren einfach zu erlangen.
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Mit der Zeit verbesserten sich die Jagdtechniken, sodass immer größere Beutetiere erlegt werden konnten. Damit gelangten zunehmend Fleisch, Innereien und das Fettgewebe auf den mesnchlichen Speisezettel. Längst hatten die tierischen die pflanzlichen Lebensmittel als wichtigste Nahrungsquelle abgelöst. Dies gilt insbesondere für jene Vorfahren, die gen Norden gezogen waren. Dort hatten die Eiszeiten bald einen Großteil der Nahrungspflanzen vernichtet. Die ersten Europäer hatten also gar keine andere Wahl, als sich überwiegend von tierischer Kost zu ernähren. In jüngster Zeit haben Untersuchungen von Knochenfunden mit modernsten Analysemethoden (Isotopenanalyse) diese Theorie bestätigt.
Beim homo habilis setzte ein enormes Hirnwachstum ein. Dies war nur möglich, weil genügend Energie und wichtige Bausteine wie Eiweiß und ungesättigte Fettsäuren zur Verfügung standen. Für beide sorgten tierische Nahrungsmittel hervorragend...
Tatsächlich bildeten sich parallel zur Entstehung des großen menschlichen Gehirns der Verdauungstrakt und die Kiefer zurück.
Erst vor rund 10.000 Jahren wurden die Menschen unter dem Druck knapper werdender Jagdreserven zunehmend sesshaft und lernten, Getreide anzubauen und Nutztiere zu züchten. Nachdem sie Millionen Jahre (99,5% der Zeit, die es Menschen auf diesem Planeten gibt) als Jäger und Sammler gelebt hatten, wurden sie Bauern und begannen, ihre Ernährung zunehmend auf Getreide und andere pflanzliche Nahrungsmittel umzustellen, an die ihr Verdauungsapparat nicht mehr angepasst war. Es gibt Anzeichen dafür, dass diese Ernährungsumstellung Auswirkungen auf die körperliche Entwicklung unserer Vofahren hatte: Wie Ausgrabungen belegen, nahmen Körpergröße und Hirnvolumen wieder ab, und die Lebenswerwartung verkürzte sich.[2]
Zusammenfassend heißt das, dass sich die Menschheit während ihrer Evolution vom reinen Pflanzenfresser zu einem Allesfresser (Omivore) mit starker Betonung tierischer Lebensmittel entwicklet hat.
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Evolutionsbiologen gehen davon aus, dass evolutionäre Veränderungen in der Regel sehr lange Zeit beanspruchen. Nach ihren Angaben hat sich das menschliche Genom in den letzten 40.000 Jahren kaum verändert. Das bedeutet, dass wir zwar längst in einer High-Tech-Welt leben, uns genetisch aber kaum vom Steinzeitmenschen unterscheiden. Das würde auch bedeuten, dass wir noch immer besser an jene Kost angepasst sind, die unsere Vorfahren über 2 Millionen Jahre lang praktizierten und die ihnen zu ihrer bemerkenswerten Entwicklung verholfen hat: eine leicht verdauliche Mischkost mit starker Betonung tierischer Lebensmittel. Eine Ernährung nach diesem Muster kann daher als "artgerecht" gelten.
Belege für die Wirkungen dieser Ernährungsweise liefern die heutigen "Naturvölker", denn sie leben noch weitgehend wie steinzeitliche Jäger und Sammler. Loren Cordain von der Colorado State Univerity hat die Essgewohnheiten von 229 "modernen" Jäger- und Sammlergesellschaften untersucht. Seine Analysen zeigen, dass auch die neuzeitlichen Jäger- und Sammelvölker - wo immer es ökologisch möglich ist - überwiegend von der Jagd leben.
Mithilfe von Daten über den Nährwert heutiger Wildpflanzen und Wildtiere schätzen Cordain und sein Team die Nährstoffzusammensetzung der "Steinzeit-Kost" ab. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Mehrzahl der modernen Jäger und Sammler durchschnittlich etwa 50% ihrer Kalorien in Form von (meist tierischem) Fett aufnehmen. Dabei überwiegen wie seit Urzeiten die einfach ungesättigten Fettsäuren und der Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren ist deutlich höher als in der üblichen "Zivilisationskost". Der Eiweißanteil beträgt mindestens 20%, der Kohlehydratanteil nicht viel mehr.
Weite Teile der armen Erdbevölkerung scheinen diesen Befunden zu widersprechen, denn sie leben von Reis, Mais oder Kochbananen. Aus zwei Gründen kennen sie die damit einhergehenden Gesundheitsprobleme der überernährten Welt nicht: Sie sind oft mangelernährt, haben also insgesamt (viel) zu wenig zu essen. Und sie müssen körperlich arbeiten, wodruch die kohlehydrate umgehend "verbrannt" werden...
Sobald die Lebensweise ruhiger wird und die Nahrungszufuhr größer, zeigen sich auch in den so genannten Dritte-Welt-Ländern die gleichen Krankheiten wie in Industiernationen.
Der menschliche Stoffwechsel ist offenbar an solche eiweiß- und fettreiche, gleichzeitig aber relativ kohlehydratärmere Ernährung optimal angepasst.
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Bei dem inaktiven Lebensstil, den heute viele Wohlstandsbürger von Jugend an "pflegen", braucht der Körper nur wenig Glukose (ca. 100g täglich). Essen wir dennoch viele Kohlehydrate, muss die Bauchspeicheldrüse ständig viel Insulin herstellen.(...) Bei entsprechender Veranlagung werden die Körperzellen mit der Zeit jedoch resistent dagegen. Folglich kann das Insulin seine Wirkung nicht mehr voll entfalten und Glukose kann nicht mehr "verbrannt" werden. Stattdessen sorgt die überschüssige Glukose dafür, dass vermehrt Körperfett gebildet wird. Da das Insulin gleichzeitig die Fettverbrennung herabsetzt und den Appetit steigert, kommt es so zu Übergewicht. Zudem verschlechtern sich die Blutcholesterin- und Blutfettwerte.
Menschen mit einem erhöhten Insulinspiegel erkranken häufig am sogenannten Syndrom X und bestimmetn Krebsformen.
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Syndom X gilt auch als "Prädiabetes", denn die meisten betroffenen entwickeln im Lauf der Jahre Typ 2 Diabetes. Alarmierend ist, dass an dieser Erkrankung, die auch als "Alterszucker" bezeichnet wird, immer jüngere Menschen leiden. Diabetiker haben ein drastisch erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfälle.
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Die Steinzeit-Diät auf dem Prüfstand
Eine Langzeitstudie mit "Steinzeit-Diät" gibt es (noch) nicht. Aber es liegen inzwischen eine Reihe von Studien zu Einzelaspekten dieser Ernährungsweise vor, die durchweg positive Auswirkungen zeigen.
So verbessern sich sämtliche Blutfettwerte, wenn die Eiweißzufuhr durch Fleisch, Fisch und Milchprodukte erhöht (von 12-15% auf 22-27% der täglichen Kalorien) und bei den Kohlehydraten gespart wird. Dies wurde für Männer und Frauen, alte und junge, gesunde und kranke Menschen gezeigt. Auch Blutdruck, die Blutzucker- und Insulinwerte verbessern sich, wenn die Eiweißzufuhr auf Kosten der Kohlehydrate angehoben wird. Aufgrund der besonders guten Sättigungswirkung von Eiweiß kann außerdem Übergewicht vorgebeugt und das Abnehmen erleichtert werden.
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Eine überhöhte Kohlehydratzufuhr - bei gleichzeitigem Bewegungsmangel - entpuppt sich immer mehr als Risikofaktor für Zivilisationskrankheiten.
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Last but not least die Fette:
Wird bei einer kohlehydratreichen, fettarmen Ausgangskost ein Teil der Kohlehydrate durch Fett ersetzt (v.a. einfach ungesättigte Fettsäuren), so sinken die Blutzucker- , Insulin-, Cholesterin-, und Blutfettwerte und damit das Herzinfarktrisiko[3].
Was paradox klingen mag, wurde in mehreren Studien nachgewiesen.
[1] Mc Cullough, ML. et al.: Adherence to the Dietary Guidelines for Americans and risk of major chronic desease in women. AJCN, 2000, Vol.72.
[2] Lewin, R.: Science 1981/Vol. 211; Eaton, SB. et al.: World Reviews of Nutrition an Diet 1998/ Vol. 83.
[3] Kris-Etherton, P. et al.: High monounsaturatet fatty acid diets lower both plasma cholesterol and triacyglycerol concentrations. AJCN 1999, Vol. 70.