Zitat:
Ein kleines Mädchen, ein Physiker, ein Biologe und ein Psychologe betrachten eine Rose. Das Mädchen gerade raus: „Die Rose ist rot.“ Der Physiker korrigiert: „Das Licht, das von der Rose reflektiert wird, trägt die Eigenschaft 'Rot'.“ Der Biologe entgegnet: „Die visuellen Cortexareale des Gehirns konstruieren den Eindruck der Röte.“ Schließlich der Psychologe: „Die Röte liegt allein im Geiste. Alles von euch ist nur Materie.“ Plötzlich tritt ein Blinder in die Runde: „Sagt mal, wovon sprecht ihr da eigentlich? Was hat es auf sich mit dieser Röte? Könnt ihr mir das erklären?“
Nichts ist uns so nah und doch so fern, wie unsere bewusste Wahrnehmung. Wir scheinen ganz genau zu wissen, was Farben sind, aber auch nur, solange wir nicht über sie nachdenken oder sie in Worte zu fassen versuchen.
Ein Stift kann zwar in einer bestimmten Farbe schreiben, aber kann auch er beschreiben, was das ist: Farbe? Vermag ein Wissenschaftler das Wesen, die Bedingungen und die Eigenschaften von Farbe in das Gewand solch anschaulicher Gedanken zu kleiden, dass auch ein Blinder das Phänomen der Farbe so umfassend verstehen kann wie ein Sehender?
Wie entsteht das Rot der Rose? Wo entsteht es? Und warum entsteht es überhaupt? Ist es eine Eigenschaft der Rose selbst, wie es das kleine Mädchen annimmt? Oder hat der Physiker recht, nach dessen Ansicht Rot mit einer bestimmten Wellenlänge des Lichtes zu vergleichen ist und die Dinge um uns herum selbst völlig farblos sind? Wie steht es um die Ansicht des Biologen, für den Farbe weder den Dingen noch dem Licht zukommt, sondern vielmehr einem bestimmten Gehirnzustand.
Doch ist die Rose de facto nur dann rot, wenn wir sie betrachten und sonst nicht? Warum haben wir dann den Eindruck, als würde das Rot untrennbar an der Rose haften und genauso zu ihr gehören wie ihre Dornen, wenn dieses Rot in Wirklichkeit ein Konstrukt unseres Gehirnes ist und somit überhaupt nicht zu der Rose gehört, sondern zu uns? Wie bitteschön gelangt diese Konstruktion aus dem Inneren unseres Schädels auf die Blütenblätter dieser Pflanze? Wie ist es überhaupt möglich, dass ein Haufen gräulicher Neuronen, die in ihrem gesamten 'Leben' noch nie das Licht der Welt erblickt haben, ein farbiges Universum erschaffen können?
Wie steht es um den Einwand des Psychologen, nach dem die gesamte physische Welt – also sowohl die Rose als auch das Licht als auch das Gehirn – allesamt von materieller Beschaffenheit sind, Farbe jedoch etwas Geistiges ist? Trifft dies wirklich zu? Falls ja, wie kann dann die Rose, das Licht oder das Gehirn dieses geistige Rot erschaffen? Wie können Materie und Geist miteinander wechselwirken? Können sie das überhaupt? Was ist denn eigentlich der Geist? Und wenn wir das fragen, müssen wir auch fragen: Was ist Materie? Gibt es sie überhaupt oder gibt es vielleicht sogar nur den Geist?
Schließlich erleben wir direkt ja auch nur das geistige Rot; und all die anderen Gedanken über eigenständig existierende Dinge, Lichtwellen und Gehirne, sind nichts weiter als abstrakte Vorstellungen in unserem Denken und somit ebenfalls erst einmal nichts weiter als Produkte des Geistes. In unseren Träumen erleben wir ganz alltägliche, bunte und scheinbar materielle Welten – allesamt sind sie jedoch Erscheinungen unseres Geistes. Könnte es da nicht sein, dass auch unsere gesamte Welt nichts weiter ist als rein geistig?
In meiner Dissertation befasse ich mich mit diesen Fragen am Beispiel des Rosenrots.