Zitat:
Milde Hypertonie, niedriges Risiko: wann eingreifen?
Nun stellt sich aber die Frage, ob es auch eine Gruppe von Patienten gibt, bei denen trotz eines erhöhten Blutdrucks über 140/90 mm Hg das kardiovaskuläre Risiko so niedrig ist, das eine antihypertensive Behandlung die Prognose nicht nennenswert verbessert und deshalb nicht zwingend erforderlich ist.
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Personen, die keine Herz-, Gehirn- oder Nierenerkrankungen, keinen Diabetes und keine hypertensiven Endorganschäden (z. B. linksventrikuläre Hypertrophie) haben und außerdem noch frei von kardiovaskulären Risikofaktoren sind, haben ein niedriges kardiovaskuläres Risiko. (Anmerkung: Nach der Definition der Europäischen Gesellschaften für Hypertonie und Kardiologie und der Deutschen Hochdruckliga tragen diese Patienten ein durchschnittliches [average] oder geringes zusätzliches [low added] Risiko [2, 3].
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Aus diesem Grund empfehlen die Leitlinien der europäischen Gesellschaften für Hypertonie und Kardiologie [3] ebenso wie die der Deutschen Hochdruckliga [6] bei Patienten mit erhöhten Blutdruckwerten von systolisch 140-159 und/oder diastolisch 90 bis 99 mm Hg, aber niedrigem und mittlerem kardiovaskulären Risiko für sechs bis zwölf bzw. drei bis sechs Monate Lebensstiländerungen und Allgemeinmaßnahmen, aber zunächst noch keine Verordnung von Antihypertensiva. Dadurch sollen der Blutdruck gesenkt, gleichzeitig Nebenwirkungen vermieden und Medikamentenkosten eingespart werden. Erst wenn der Blutdruck nach Ablauf dieser Fristen nicht unter 140/90 mm Hg bei mittlerem Risiko und bei niedrigem Risiko nicht unter 150/95 mm Hg gesunken ist, sollen Antihypertensiva verordnet werden.
Mögliche Einwände
Zweifellos können diese Empfehlungen der Fachgesellschaften aus epidemiologischen und klinischen Studien abgeleitet und auch mit wirtschaftlichen Überlegungen begründet werden. Andererseits stützen sie sich weder auf randomisierte noch auf nicht randomisierte Studien.
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Hypertensive Endorganschäden, die sich während der "Wait and see"-Periode oder mangels Wiedervorstellung entwickeln, bilden sich trotz anschließender Therapie nicht wieder zurück und persistieren. In den V A-II- und HDFP-Studien [8-10] wurde der Verlauf von Hypertonikern ohne und mit hypertensiven Endorganschäden zu Studienbeginn verglichen. Trotz intensiver Langzeittherapie und regelmäßiger Überwachung blieb die kardiovaskuläre Mortalität bei Hypertonikern mit vorbestehenden Endorganschäden innerhalb der folgenden fünf Jahre 2,5-fach höher als bei den Hypertonikern ohne Vorschäden. Wenn also Patienten erst einmal Endorganschäden entwickelt haben, kommt die anschließende Intensivbehandlung zu spät.
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