Teure Spende
Ein Mann erfüllte mit seinem Samen den Babywunsch eines lesbischen Paares. Nun soll er Unterhalt zahlen. Eine Gesetzeslücke kommt der Mutter zugute.
Im großzügigen Wohn- und Esszimmer des Einfamilienhauses stapeln sich Bilderbücher und Lego-Steine. In einer Ecke parkt ein Dreirad. Es sind Spielsachen der zweijährigen Kara. Die sechs Monate alte Marta schläft in einer Kinderwiege mit großen Rädern aus Holz. Der Hausherr Klaus Schröder mag es so, er liebt seine Kinder.
Schröder ist Lehrer an einer berufsbildenden Schule. Er ist 52 Jahre alt und einer dieser Männer, die lange auf ihr Familienglück warten mussten. Eine Ehefrau, zwei Kinder, ein Haus. Jetzt ist das Leben in der kleinen Ortschaft in der Pfalz so, wie er es sich immer vorgestellt hat - wenn da nicht der Ärger aus der Vergangenheit wäre.
Klaus Schröder ist nämlich schon früher einmal Vater geworden. Vor etwa fünf Jahren hatte er seinen Samen gespendet. Er hatte damit geholfen, den Kinderwunsch eines lesbischen Paares zu erfüllen. Ein Junge wurde geboren. Der Erzeuger bekam für seine Dienstleistung kein Geld, aber durch die Samenspende sollten ihm auch keine finanziellen Nachteile entstehen. So war es zwischen Schröder und den beiden Frauen verabredet.
Doch vor gut einem Jahr kam das Paar auf die Idee, Unterhalt für den heute drei Jahre alten David zu fordern. Der Lehrer soll seine Einkünfte offenlegen, damit die Höhe der Ansprüche errechnet werden kann. Klaus Schröder fühlt sich hinters Licht geführt. Auch wenn er kinderlieb ist und seinen Sohn David mag, weigert er sich, für ihn zu zahlen.
Nach Lage der Dinge steht dem deutschen Rechtssystem deshalb das erste Gerichtsverfahren bevor, in dem ein Samenspender auf Unterhalt verklagt wird.
Schröders Chancen sind allerdings nicht sehr gut. Denn sobald er offiziell als Vater festgestellt wird - woran es nach dem jetzigen Stand kaum Zweifel gibt -, muss der Beamte wohl für David aufkommen. Was er vor vier Jahren mit der Mutter und der sogenannten Co-Mutter ausgemacht hat, spielt erst einmal keine Rolle.
Dem Frauenpaar kommt in diesem Fall das Familienrecht zugute, welches dem Kindeswohl hohes Gewicht beimisst. Schon seit Jahrzehnten verlangen Juristen und Mediziner, die Gesetze bei Fällen von "Verwendung von Fremdsamen" der medizinischen und gesellschaftlichen Entwicklung anzupassen. Bisher stoßen sie jedoch unter Politikern auf wenig Bereitschaft, etwas zu ändern.
Jährlich kommen in Deutschland schätzungsweise ein paar tausend Kinder nach Samenspenden zur Welt. Eine exakte Zahl gibt es nicht, weil viele Befruchtungen ohne offizielle Hilfe durchgeführt werden. Die Mütter sind Singles oder Frauen, deren männliche Partner keine Kinder bekommen können - oder eben Frauen in lesbischen Partnerschaften.
Die rechtliche Situation ist für alle Betroffenen unbefriedigend. Samenspender wie Schröder haben damit zu rechnen, nachträglich in die Verantwortung für das Kind gezogen zu werden. Frauen, die Samen von fremden Spendern empfangen haben, müssen unter Umständen befürchten, dass die genetischen Väter Anspruch auf die Kinder erheben. Mediziner und Samenbanken wiederum drohen Regresse, wenn sie den Samenspender nicht richtig über die rechtlichen Konsequenzen aufgeklärt haben.
Klaus Schröder las im Dezember 2005 im "Journal Frankfurt" eine Kleinanzeige, in der ein lesbisches Paar einen Samenspender suchte. Er hatte schon damals einen Wunsch nach Kindern, aber nach einigen gescheiterten Beziehungen glaubte der Endvierziger nicht mehr, eigenen Nachwuchs bekommen zu können.
Schröder traf sich 2006 dreimal mit den beiden Frauen, einer Lehrerin und einer Krankenpflegerin. Die drei waren sich sympathisch. Am 24. Juni 2006 gab er der späteren Mutter in deren Wohnung erstmals einen Becher mit seinem Sperma. Es klappte nicht gleich beim ersten Versuch. Viermal musste Schröder in den folgenden Wochen die Prozedur wiederholen, dann war die Lehrerin schwanger.
Im März 2007 kam David zur Welt. Klaus Schröder sagt, er habe sich "sehr darüber gefreut", wenn auch zunächst "mit angezogener Handbremse". Er hatte nämlich erfahren, dass das Paar zwischenzeitlich einen zweiten Spender bemüht hatte. Dann aber ergab ein Test, dass der andere nicht der Erzeuger sein konnte.
Als eine Art Hilfspapa durfte Schröder sein Kind ungefähr alle vier Wochen sehen, er bezahlte die Taufe. Alles geschah, wie vor der Samenspende verabredet, sagt der mutmaßliche biologische Vater. Als David älter wurde, durfte er schon mal mit ihm allein sein. Sein Sohn nennt ihn "Papa Klaus". Das gute Verhältnis wandelte sich erst, nachdem Schröder geheiratet und seine Ehefrau ihr erstes Kind bekommen hatte.
Was der Oberstudienrat damals nicht wusste und viele Spender, die an unverheiratete Frauen Sperma abgeben, wohl bis heute nicht ahnen: Sie können vor der Geburt viele Vereinbarungen mit den Empfängerinnen treffen, doch die Ansprüche auf Unterhalt und Erbe des Kindes lassen sich dadurch prinzipiell nicht aufheben. Der Spendervater ist von der Last erlöst, wenn der Partner der Mutter das Kind adoptiert. In Schröders Fall hätte das Frauenpaar dafür jedoch mindestens heiraten müssen.
Dem Lehrer hätte es auch wenig genützt, wenn er sein Sperma anonym gespendet hätte. Nach dem Grundgesetz hat nämlich jedes Kind Anspruch darauf zu erfahren, wer sein Vater ist. Auch Ärzte und Samenbanken können gezwungen werden, den Namen der Spender mitzuteilen. Als das Bundesverfassungsrecht 1989 dieses Grundrecht bekräftigte, ging die Zahl der Samenspender in Deutschland stark zurück.
Damit sich Frauen und unfruchtbare Männer dennoch ohne Nachteil den Kinderwunsch erfüllen können, fordern Reproduktionsmediziner seit Jahren den Gesetzgeber auf, das Kindschaftsrecht neu zu regeln. Bisher jedoch vergeblich.
Im Dezember 2009 spielte Klaus Schröder noch den Nikolaus für seine Tochter Kara und für seinen Sohn David. Doch am ersten Weihnachtstag war es vorbei mit dem Idyll. Davids Mutter drückte ihm einen achtseitigen Brief in die Hand. Sie wünsche sich nun, schrieb sie, "dass Du auch offiziell die Vaterschaft anerkennst und auch finanzielle Verantwortung für David, Deinen Sohn trägst". Schließlich werde der Junge älter, und nun müsse sie "ganz pragmatisch Dinge (Wohnraum, Kinderzimmer, …) planen".
Die Mutter gibt zu, dass sie vorgehabt habe, das Kind zusammen mit ihrer Freundin aufzuziehen. Aus Angst, Schröder könnte Rechte an dem Kind einfordern, habe sie die ursprüngliche Vereinbarung getroffen. Nun aber möchte sie die finanzielle Verantwortung für das Kind nicht allein schultern. Zudem wirft sie dem Vater vor, nach der Geburt seiner beiden Töchter weniger Interesse an David zu haben.
Schröder sagt, er sei bei der Lektüre des Briefs "aus allen Wolken gefallen". Er hätte die beiden Frauen sogar finanziell unterstützt, wenn "eine Notsituation vorgelegen hätte". Aber Davids Mutter arbeite weiterhin als Lehrerin, und sie wohne nach wie vor mit ihrer Lebensgefährtin zusammen. Zudem hätte das Paar eine zweite Schwangerschaft angestrebt, er selbst sei um eine erneute Spende gebeten worden. So hat sich das ehedem harmonische Verhältnis zu der Mutter in ein juristisches gewandelt. Seit vergangenem Dezember, sagt Schröder, habe er David nicht mehr sehen dürfen.
Stattdessen erhielt er Anfang Februar den Brief einer Fachanwältin für Familienrecht. Aus der "Verbindung" mit ihrer Mandatin, heißt es darin, sei der gemeinsame Sohn David hervorgegangen, er befinde sich "in der Obhut unserer Mandantin". Die Anwältin sei "nunmehr beauftragt, den Kindesunterhalt für David geltend zu machen". Um die Ansprüche zu errechnen, bitte sie, "uns die Kopien Ihrer letzten zwölf Verdienstbescheinigungen" sowie die Unterlagen über zusätzliche Einkünfte zu überlassen. Laut Düsseldorfer Tabelle für die Errechnung des Unterhalts müsste Schröder monatlich wohl rund 270 Euro bezahlen.
Der Gefälligkeits-Papa hat seine Vaterschaft nun erst einmal abgestritten. Sollte die sich jedoch bestätigen, wolle er seinen Fall vor einem Gericht sehen - auch wenn er weiß, dass seine Chancen gering seien und er Gefahr laufe, "bei manchen Leuten als Depp zu gelten".
Das Verfahren dürfte bundesweit Interesse erzeugen, bei Reproduktionszentren, Samenbanken und jedem privaten Spender. Wenn aus einem selbstlosen Akt eine Zahlungsverpflichtung von leicht über 100 000 Euro entstehen kann, wird die Branche ihr Geschäftsmodell kaum fortsetzen können.
Schon allein deshalb, glaubt Schröder, müsse rechtlich ausgeschlossen werden, dass "Mütter mit Samenspendern nicht so umgehen dürfen, wie mir dies gerade widerfährt".
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