OPTIMIERUNG DES TESTOSTERONHAUSHALTES FÜR NATURAL BODYBUILDER

von Philipp Rauscher
06.08.2013



Dass das männliche Geschlechtshormon Testosteron für den Muskelaufbau wichtig ist, dürfte Ihnen als Leser dieser Seite wahrscheinlich bekannt sein. Aber jeder Leser wird (hoffentlich) auch wissen, dass eine exogene Zufuhr dieses Hormons zum Sinne der Steigerung der Muskelmasse und der Leistungsfähigkeit für Natural Bodybuilder kein Thema darstellt.

Möchten Sie nun vom „Muskelaufbauhormon“ Testosteron profitieren, ohne dabei in die Dopingfalle zu tappen, müssen Wege dazu gefunden werden, die Sekretion und den Stoffwechsel dieses anabolen Hormons anderweitig zu optimieren. Für alle drogenfreien Athleten bleiben hier nur die Optionen der Ernährungsanpassung, der Optimierung des Trainings, der Förderung der Regeneration und in eingeschränktem Maße noch der Gebrauch diverser Supplemente. Wobei Letzeres im Vergleich zu den drei erstgenannten Faktoren nur ein Tropfen auf dem heißen Stein darstellen kann. Doch bevor wir alle diese Möglichkeiten zur Optimierung des Testosterongehalts auf natürliche Weise Schritt für Schritt durchgehen, soll kurz aufgezeigt werden, wie die Testosteronproduktion überhaupt funktioniert:

Letztlich ist Testosteron eine Kopfsache. Denn genau hier beginnt die Testosteronproduktion, nämlich im Gehirn. Der Hypothalamus schüttet das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) aus, welches wiederum das luteinisierende Hormon (LH) stimuliert, das dann in den Hoden bestimmte Enzyme dazu anregt, über diverse Vorstufen aus Cholesterin Testosteron zu produzieren.

Der erste Schritt, um diesen Stoffwechselweg effizient ablaufen zu lassen, wird über eine ausreichende Energiezufuhr erreicht, sprich über die Aufnahme von genügend Kalorien! Befinden Sie sich in einer kalorienreduzierten Diät, wird weniger GnRH im Hypothalamus produziert und ausgeschüttet, und die gesamte Testosteronproduktion wird schon im ersten wichtigen Schritt ausgebremst. Sicherlich ist auch das ein Grund dafür, warum es während einer Diät zunehmend schwieriger wird, Muskelmasse aufzubauen. Deshalb ist es auch logisch, dass es umso schwieriger wird, Muskeln in einer Diät aufzubauen und die Muskelmasse zu halten, je größer das Kaloriendefizit ausfällt. Entscheiden Sie sich also für eine Diät, sollten Sie die langsame Reduktion Ihres Körperfettanteils durch ein geringes Kaloriendefizit anstreben. So wird die Testosteronproduktion nur minimal beeinflusst, und der Erhalt vorhandener Muskelmasse wird erleichtert. Möglicherweise ist es sogar noch drin, ein klein wenig an Muskelsubstanz zuzulegen. Sie sollten jedoch keine Wunder erwarten. Je mehr Kalorien Sie konsumieren, desto stärker ist allerdings der Effekt, und die Testosteronproduktion läuft in vollem Gange. Aber das ist nun kein Freifahrschein für eine ausgiebige Off-Season. Denn eine sehr hohe Kalorienzufuhr führt auch unweigerlich zu einem Zuwachs an Körperfettgewebe. Das wiederum ist eher hinderlich für die Testosteronproduktion.

Denn ein hoher Körperfettanteil korreliert mit einem Anstieg an Östrogen, dem weiblichen Geschlechtshormon. Hohe Östrogenwerte führen wiederum zu einer Reduktion der Testosteronproduktion, zu einer verstärkten Wasserretention und einer erleichterten Körperfett - einlagerung. Die richtige Kalorienbilanz ist also in der Praxis zunächst einmal das A und O. Wenn Sie auf Diät sind, darf das Kaloriendefizit nicht zu groß sein. Soll der Aufbau von Muskelmasse forciert werden, dann sollte der Kalorienüberschuss nur sehr moderat sein, damit der Körperfettgehalt nicht unnötig ansteigt, und um die Östrogenwerte unter Kontrolle zu halten. Und wie verhält es sich mit den Kohlenhydraten? Auch wenn uns durch diverse Diäten suggeriert wird, dass die Reduktion der Kohlenhydrate und die Erhöhung der Nahrungsfettaufnahme zu einem höheren Testosteronspiegel führen als fettarme, kohlenhydratreiche Diäten, sollten die „Carbs“ nicht komplett aus den Augen verloren werden. Denn es gibt Studien, die zeigen, dass eine kohlenhydratfreie Ernährung auch zu einem Absinken des Testosteronspiegels führen kann.

Entsprechend gilt auch hier wieder, dass das Erfolgsrezept irgendwo in der Mitte liegt. Eine moderate Menge an Kohlenhydraten in der Ernährung in einer Größenordnung von 1,0 bis 4,0 g pro Kilogramm Körpergewicht sollte ausreichend sein für einen optimierten Hormonhaushalt. Diese große Spanne bezüglich der Kohlenhydrataufnahme ist auf die interindividuelle Kohlenhydrattoleranz zurückzuführen. Personen, die Kohlenhydrate nur schlecht vertragen und schnell Körperfett ansetzen, sollten eher im Bereich von 1,0 bis 2,0 g pro Kilogramm Körpergewicht bleiben bezüglich der Kohlenhydratenergie, während für Personen, die Kohlenhydrate gut tolerieren und kaum Körperfett ansetzen, eher die Aufnahme von 3,0 bis 4,0 g Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht empfehlenswert ist.
Hardgainer können mit diesen Werten noch deutlich höher gehen. Hier gilt es, die individuelle Schwelle der Kohlenhydratzufuhr herauszufinden, um nicht übermäßig an Körperfett zuzulegen und trotzdem von den Kohlenhydraten profitieren zu können. Allerdings sollten Sie sich zur Steigerung der T-Werte nicht nur an Vollkornprodukten und Co. orientieren. Denn eine sehr ballaststoffhaltige Ernährung kann laut einigen wissenschaftlichen Studien zu einer sinkenden Testosteronproduktion führen. Das bedeutet jetzt nicht, dass Sie grundsätzlich Cornflakes statt Haferflocken essen sollten, sondern vielmehr, dass sich das Verhältnis nicht komplett zu einer extrem ballaststoffhaltigen Ernährung verschieben sollte.

Einige Ballaststoffe sind aber natürlich notwendig in einer gesunden und ausgewogenen Ernährung. Doch auch hier gilt nicht das „Mehr ist mehr“-Prinzip. Schauen wir uns als Nächstes den Zusammenhang zwischen der Proteinaufnahme und einem optimierten Testosteronhaushalt an. Dieses Thema wird sehr kontrovers diskutiert. Glaubt man aktuellen Untersuchungen und Forschungen, so liegt nahe, dass sich eine zu hohe Menge an Nahrungsprotein negativ auswirken kann bezüglich der Blutkonzentration an freiem Testosteron. Doch wo genau liegen die Grenzen von einer „ausreichenden Proteinzufuhr“ und einer „übermäßigen Proteinaufnahme“? Diese Grenze ist bis heute nicht klar definiert. Was jedoch beobachtet werden konnte, ist, dass Diäten mit einer höheren Proteinzufuhr im Vergleich zur Kohlenhydrataufnahme nicht sonderlich fördernd zu sein scheinen für die Erhöhung des T-Spiegels.

Allerdings muss hinzugefügt werden, dass es sich bei diesen Untersuchungen nicht um Untersuchungen an Bodybuildern oder Spitzensportlern handelt. Von daher ist dieses Ergebnis nicht wirklich aussagekräftig für das Thema dieses Artikels. Zudem dürfte der mengenmäßige Bereich von „ausreichend“ und „zu viel“ bei einem Bodybuilder sowieso anders definiert werden als für „Otto Normalverbraucher“. Bleibt jetzt noch das Nahrungsfett. Wir alle kennen die Aussage, dass ein erhöhter Fettanteil in der Ernährung zu einer Verbesserung der Testosteron produktion führen kann.

Darin begründet sich die Annahme, dass extrem fettreiche Diäten am besten dazu geeignet sind, die Testosteronwerte zu optimieren. Doch leider scheint dies nicht ganz richtig zu sein. Denn wie man mittlerweile auch weiß, stimmt die gerade getätigte Aussage nur dann, wenn maximal 30 bis 35 % Nahrungsfett durch die tägliche Ernährung zugeführt werden. Eine höhere Fettaufnahme scheint keinen weiteren Nutzen zu zeigen. Die Kohlenhydratreduktion zugunsten von mehr Fett einzuschränken, funktioniert also nur in etwa bis zu einem Wert von eben jenen angesprochenen 30 bis 35 % Nahrungsfett. Das Nahrungsfett sollte vornehmlich in Form von einfach ungesättigten Fettsäuren und in Form von gesättigten Fettsäuren aufgenommen werden. Der Bedarf an essentiellen mehrfach ungesättigten Fettsäuren sollte natürlich gedeckt werden, aber eine Zufuhr über diesen Wert hinaus bringt nicht viel. Es scheint, als würden einfach ungesättigte Fettsäuren sowie gesättigte Fettsäuren einen stärkeren Einfluss auf die Testosteronproduktion zeigen, als das für mehrfach ungesättigte Fettsäuren zutrifft. Ergänzt werden sollte die bisher beschriebene Diät durch Gemüse.

Insbesondere Brokkoli, Blumenkohl und bestimmte weitere Kohlarten und Sprossen sind hier hilfreich. Denn diese Gemüsesorten enthalten Stoffe, die die Östrogen produktion hemmen können oder zumindest in Schach halten und eine Überproduktion unterdrücken.

Nach diesen Ernährungs-Tipps widmen wir uns nun dem nächsten großen Baustein für die Optimierung des Testosterongehalts auf natürlichem Wege, nämlich dem Training. Wenn Sie Ihre Testosteronproduktion über das Training stimulieren möchten, sollten Ihre Trainingseinheiten kurz und intensiv sein. Denn wie sich herausgestellt hat, sind es eben diese Trainingseinheiten, die zu einer besonders starken Testosteronausschüttung führen können. Im Training sollte großer Wert auf die Durchführung von Grundübungen gelegt werden, die möglichst viel Muskelmasse auf einmal beanspruchen. Führen Sie die Grundübungen nun noch mit schweren Gewichten aus, kann der Effekt der erhöhten Testosteronsekretion noch einmal maximiert werden. Schwere Kniebeugen oder schweres Kreuzheben sind demnach prädestinierte „Testosteron-Übungen“. Entsprechend regelmäßig sollten diese Übungen in Ihrem Trainingsplan zu finden sein! Im Gegensatz dazu führen lange Trainingseinheiten mit vielen Isolationsübungen, die nur verhältnismäßig wenig Muskelmasse mit einbeziehen, und bei denen nur relativ geringe Trainingsgewichte genutzt werden können, zu einer geringeren Testosteronreaktion, dafür aber zu einer ordentlichen Cortisolausschüttung – dem Erzfeind der Testosteronfreisetzung.

Zwar darf auch hier Cortisol nicht grundlegend als schlecht betitelt werden, eine chronische Erhöhung des Cortisolspiegels ist jedoch weder in Sachen Testosteronwerte, noch gesundheitlich sehr förderlich. Dies gilt es also zu vermeiden. Noch einmal zurück zur Ernährung. Sobald Sie Ihr kurzes und intensives Work-out beendet haben, sollten Sie Ihre Post-Work-out-Nutrition nicht vergessen! Denn auch hier gibt es Untersuchungen, die zeigen konnten, dass die richtige Nährstoffzufuhr nach dem Training, bestehend aus einigen leicht verdaulichen Kohlenhydraten, in Kombination mit ebenfalls leicht verdaulichem Protein oder freien Aminosäuren, die Testosteronaufnahme in die Muskelzellen fördern kann. Das freie Testosteron dockt damit effizienter an die Testosteronrezeptoren an und kann dort entsprechend seine Arbeit verrichten. Wer auf die Kohlenhydratzufuhr nach dem Training verzichten möchte, der sollte doch zumindest mit leicht verdaulichem Protein wie Whey Protein oder essentiellen Aminosäuren supplementieren, um sich diese zeitlich günstige Gelegenheit zur Förderung des Muskelaufbaus nicht entgehen zu lassen.

Nun wurden eigentlich fast alle wichtigen Schritte zur Optimierung des Testosteronhaushaltes beschrieben. Nun ja – fast alle. Denn ein ganz wesentlicher Teil ist auch der Lebensstil des Athleten, der sogenannte Lifestyle-Faktor. Unter Lifestyle-Faktor verstehe ich beispielsweise die Freizeitgestaltung. Denn wie bereits angesprochen, ist Cortisol der Testosteronkiller Nummer 1. Da Cortisol ein Stresshormon ist, ist es entsprechend nicht verwunderlich, dass übermäßige Stresssituationen gemieden werden sollten. Dazu gehören kurze Nächte oder lange Partynächte und exzessiver, regelmäßiger Alkoholkonsum. Gleiches gilt für Drogen und Nikotin, was jedoch zumindest im ersteren Falle für Natural Athleten sowieso tabu ist. Doch auch Freizeitstress jeglicher Art kann zu hormonellen Veränderungen führen. Und das recht flott. Wer von Ihnen schon einmal an einer Bodybuilding-Meisterschaft teilgenommen hat, kennt dies vielleicht. Sie hetzen von einem Termin zum anderen. Erst der Dopingtest, dann schnell zum Tanning, dann steht auch schon der Verzehr der nächsten Mahlzeit an usw.

Häufig machen sich Wettkampfathleten da auch selbst viel zu viel Stress, und eigentlich ist alles einfacher als gedacht. Doch nicht selten stellen sich gestresste Athleten in einer solchen Situation die Frage, warum sie plötzlich weicher aussehen als noch am Morgen. Das hat zwar jetzt nicht direkt etwas mit dem Testosteronspiegel zu tun, dennoch kann an diesem Beispiel sehr gut erkannt werden, wie schnell der Körper auf Stress reagiert. Einige Athleten sehen sich dann womöglich noch Dauerstress bei der Arbeit ausgesetzt, was erschwerend hinzukommt, und worin wohl ein wesentlicher Aspekt für die hohe Rate an Herzerkrankungen und Herzinfarkten zu sehen ist. Wenn Sie Ihren Tesosteronspiegel über Lifestyle-Faktoren entsprechend steuern und im Griff haben möchten sowie Ihren Cortisolspiegel senken möchten, dann sollten Sie alles etwas lockerer nehmen.

Das gilt im Übrigen auch für Bodybuilder, die sich in der Wettkampf-Vorbereitung befinden. Wer ständig alles überdenkt, immer nach Verbesserungen strebt, die Dinge ändern will und an nichts anderes mehr denken kann als an Kalorien, Makronährstoffverhältnisse, Satzzahlen und Co., der befindet sich auf dem besten Weg, sich nicht nur psychisch zu überlasten, sondern auch seinen Stresshormonspiegel ins Unendliche ansteigen zu lassen. Überlassen Sie das Denken Ihrem Trainer, befolgen Sie seine Vorgaben im Training und der Ernährung, und entspannen Sie sich. Dafür sind Coaches da. Sie zeigen Ihnen den Weg, den Sie gehen sollten, sodass Sie sich möglichst wenig Gedanken zu machen brauchen und sich auf das Wesentliche konzentrieren können, sprich dem Handeln!

Der Tropfen auf dem heißen Stein sind Supplemente, die zur Erhöhung des Testosteron - gehalts führen können. Tribulus Terrestris, Avena Sativa, ZMA, D-Asparaginsäure, Fenugreek und wie sie alle heißen mögen. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht allzu tief in die Materie einsteigen. Nur so viel: Wer die in diesem Artikel beschriebenen Punkte beachtet, der wird den Einsatz dieser Nahrungsergänzungen in der Regel nicht benötigen. Diese „Supps“ sind im besten Falle für diejenigen zu empfehlen, die die beschriebenen Trainings und Ernährungsleitlinien längere Zeit NICHT beachtet haben und nun versuchen wollen, in Kombination mit den gegebenen Empfehlungen Ihren Testosteronhaushalt wieder in Ordnung zu bringen.

Abschließend lässt sich sagen, dass es kein Hexenwerk ist, mittels Ernährungs- und Trainingsmaßnahmen den Testosteronspiegel zu optimieren. Sie sollten lediglich vermeiden, was ein Großteil der Bodybuilder Tag ein, Tag aus tut: nämlich den Einsatz von extremen Varianten im Training oder in der Ernährung. Das macht weder bei dem einen noch dem anderen Sinn. Denn die Lösung liegt wie immer meistens irgendwo in der Mitte.

von Philipp Rauscher