Klassifizierung nach Schadenspotenzial
Lange Zeit wurde keine rationale, evidenzbasierte Methode zur Risikobewertung verwendet. Schließlich wurde im März 2007 in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet eine von einem Forscherteam um David Nutt durchgeführte Studie[39] veröffentlicht. Darin wurden drei Hauptfaktoren definiert, die das Schadenspotenzial des Konsums einer Droge ausmachen:
der (körperliche und gesundheitliche) physische Schaden für das Individuum, den die Droge verursachen kann;
das potenzielle Ausmaß der Abhängigkeit des Individuums von der Droge;
die möglichen Auswirkungen des Drogengebrauchs auf die Familie, die Gemeinde und die Gesellschaft, in welcher der Drogennutzer lebt, also der soziale Schaden.
Jede dieser Kategorien ist wiederum in drei Unterkategorien unterteilt. Psychiater und unabhängige Experten vergaben für alle Substanzen 0 bis 3 Punkte in jeder Unterkategorie. Die gemittelten Bewertungen aller Kategorien wurden für jede Substanz addiert, um einen Wert für das generelle Schadenspotenzial zu erhalten.
Beachtenswert ist, dass im Ergebnis die legalen Drogen Alkohol und Tabak unter den zehn schädlichsten Drogen zu finden sind. Nutt, damaliger Drogenbeauftragter der britischen Regierung, kritisierte aus diesem Grunde die Drogenpolitik als „den Erkenntnissen der Forschung widersprechend“, woraufhin er seines Amtes enthoben wurde.[40]
Im November 2010 wurde im Lancet eine Folgestudie basierend auf verbesserter Methodik veröffentlicht.[41] Das Schadenspotenzial setzte sich nunmehr aus 16 gewichteten Einzelfaktoren zusammen, welche sich auf die Gruppen physischer, psychischer und sozialer Schaden innerhalb der Dimensionen Selbstschädigung und Fremdschädigung verteilen.[42][43] Als Droge mit dem insgesamt größten Schadenspotenzial wurde Alkohol mit einer Bewertung von 72 von 100 Punkten identifiziert, gefolgt von Heroin (55) und Crack (54).[44][45] Das hohe Schadenspotenzial von Alkohol insbesondere in der Dimension Fremdschädigung lässt sich vermutlich zum Teil mit der leichten Verfügbarkeit und dem weit verbreiteten und akzeptierten Konsum erklären.[46] Andere Drogen mit insgesamt hoher Risikobewertung weisen hingegen ein höheres absolutes Selbstschädigungspotenzial auf. Dies dürfte vor allem auf die bei diesen Drogen ausgeprägte Gefahr einer schnellen Abhängigkeitsentwicklung zurückzuführen sein.
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