"Bin Apotheker, 53 Jahre, und habe versuchsweise 14 Tage lang Acomplia eingenommen. Der Appetit verschwindet. Persönlichkeitsänderungen traten ein. Bin sehr ernst geworden. Habe nach 14 Tagen wegen Unwohlsein, Halsschmerzen, etc. das Produkt abgesetzt."
"Ich wurde immer depressiver. Oft dachte ich an Selbstmord. Ich konnte nicht mehr schlafen und hatte fürchterliche Alpträume."
Das schreiben Menschen im Internet, die Acomplia eingenommen haben. Aber auch einige Wissenschaftler halten das Mittel für riskant. So der Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser, der Herausgeber der unabhängigen Fachzeitschrift Arznei-Telegramm. "In klinischen Studien haben ungefähr 40 bis 50 Prozent der Beteiligten die Studie vorzeitig abgebrochen", erzählt er. "Unter anderem auch wegen unerwünschter Wirkungen, beispielsweise auch sehr häufig wegen Depressionen oder Angstzuständen."
Acomplia wirkt im Zentralen Nervensystem
Eigentlich soll das Medikament stark übergewichtigen Menschen beim Abnehmen helfen. Rimonabant, der Wirkstoff von Acomplia, hemmt den Hunger. Das Mittel greift direkt ins Zentrale Nervensystem ein, blockiert einen bestimmten Rezeptor. Genau das ist aber der Grund, warum auch der Neurowissenschaftler Andreas Zimmer von der Universität Bonn skeptisch ist.
Zimmer hat in Tierversuchen Mäuse ohne diesen Rezeptor gezüchtet. Das Ergebnis: "Diese Mäuse leider unter einer erheblich erhöhten Mortalität. Das heißt: Tiere sterben viel rascher als normale Tiere eines natürlichen Todes", berichtet er von seinen Erfahrungen. Auch litten die Tiere verstärkt unter epileptischen Anfällen. Zudem macht Zimmer und seinen Kollegen eines besonders Sorgen: "Das Hirn der Tiere zeigt im Verlaufe des Alterns starke Nervenzellverluste."
Ärzte sollten genau kontrollieren
Zimmers Ergebnisse lassen sich allerdings nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen. Das erwidert auch der Hersteller von Acomplia, der Pharmakonzern Sanofi-Aventis: In den Zulassungsstudien für das Medikament seien solche Nebenwirkungen nicht aufgetreten. Doch der Neurowissenschaftler Zimmer warnt: Es handele sich um Effekte, die in dem Zeitraum von ein oder zwei Jahren, über den sich die klinischen Studien erstreckt haben, möglicherweise noch nicht auftreten. Vielleicht komme es zu den Nebenwirkungen erst, wenn man das Medikament über viele Jahre eingenommen hat. Zimmer rät Ärzten daher, ihre Patienten genau zu kontrollieren, wenn sie denn Acomplia verschreiben.
Hoher Preis und geringer Effekt
Der Schlankmacher hat aber nicht nur Nebenwirkungen, die zum Teil noch gar nicht richtig erforscht sind, sondern er kostet auch viel Geld: "Für 1000 Euro pro Jahr nehme ich im Schnitt fünf Kilo ab - und das auch nur so lange, wie ich das Mittel einnehme", fasst der Pharmakologe Becker-Brüser das Ergebnis der Studien zusammen. "Das ist doch absurd."
Hersteller sieht milde und vorübergehende Nebenwirkungen
So sah das nun auch der Gemeinsame Bundesausschuss. Das Medikament Acomplia wurde als so genanntes Lifestyle-Präparat eingeordnet. Damit kann es zwar weiterhin von Ärzten verschrieben, muss aber nicht mehr von den Krankenkassen erstattet werden. Ein Sprecher des Ausschusses erklärte, das Mittel sei nur zum Abnehmen zugelassen. Gewichtsreduzierungen fielen in den Bereich Lifestyle. Er bestätigte einen entsprechenden Bericht von NDR info.
Sanofi-Aventis hatte im Vorfeld die Kritik an seinem Medikament zurückgewiesen: Das Mittel sei überzeugend und die Nebenwirkungen mild und vorübergehend. Marktanalysten hatten einen möglichen Jahresumsatz von bis zu fünf Milliarden Dollar für das Medikament vorhergesagt.
Stand: 17.10.2006
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