Moin zusammen,

ich bin 31 Jahre alt, und trainiere seit ich 17 bin. Das heißt ich habe nun schon 14 Jahre Trainingserfahrung auf dem Buckel.
Mit diesem Beitrag möchte ich einmal meine Erfahrungen hinsichtlich weit verbreiteter Einstellungen, Meinungen und Mythen darlegen.
Ich kann auf fast 1,5 Jahrzehnte Bodybuilding zurück gucken und habe damit vermutlich deutlich mehr Erfahrung als die aller meisten hier. Im Bodybuilding geht vieles über Trail-and-Error und erst in der rückblickenden Erfahrung kann man beurteilen, was gut funktioniert und was nicht. Um es vorweg zu nehmen: Macht euch nicht verrückt! Bodybuilding ist keine Quantenphysik!

Also, los geht’s :

1. Es gibt keine „guten“ und „schlechten“ Übungen.
Meiner Meinung nach ist die Übung als solche nicht besonders entscheidend. Ich kann mit JEDER Übung einen Reiz auslösen. Ich finde es teilweise faszinierend, mit welchem Hang zum Detail manche Trainierende sich Gedanken darüber machen, ob sie nun einen Ober-oder-Untergriff verwenden sollten. Oder ob wie weit oder eng man beim Latziehen, Rudern oder Curls greifen sollte.
Diese Mini-Unterschiede haben auf die generelle Entwicklung keinerlei Einfluss. Ich selber habe zumindest nie einen Unterschied gemerkt, ob ich Curls nun mit LH oder KH mache, ob ich Kniebeugen oder Beinpresse machen, ob ich Rudern mit der Langhantel, der Kurzhantel oder im sitzen am Kabel mache.

Das bringt mich zum zweiten Punkt:

2. Bankdrücken, Kniebeugen und Kreuzheben sind absolut verzichtbar.
Besonders in meinen ersten drei Trainingsjahren habe ich mich natürlich von dem leiten lassen, was man überall hört: Man MUSS die drei Königsübungen machen. Und ich habe sie fleißig gemacht. Besonders Kreuzheben hat mir sehr gelegen und ich habe ganz passable Leistungen erbracht. Bankdrücken hat mir nie besonders gelegen und meine Brust gehörte sowieso nie zu meinen Stärken. Weder optisch noch von den Kraftwerten her. Aber Bankdrücken war ja nun mal DIE Brustübung. Also habe ich sie weiter gemacht.
Mit dem Alter kam dann auch das kritische Denken, und ich habe angefangen diese drei ach so tollen Übungen wegzulassen oder zu ersetzen. Heute kann ich KH vermutlich nicht mal mehr mit 100kg machen, aber mein Körper sieht deutlich (!!!) besser aus, als noch zu Zeiten, in denen ich die Hantel fleißig vom Boden hochgehoben habe.
Rückblickend muss ich also sagen: Kreuzheben bringt für einen auf Optik trainierenden Bodybuilder GAR NICHTS!
Ähnlich sieht es mit Bankdrücken und Kniebeugen aus. Ersteres führt früher oder später IMMER zu Schulterproblemen. Ich habe niemanden gesehen, der 10 Jahre lang verletzungsfrei Bankdrücken mit schweren Gewichten ausführen kann. Und ich muss sagen: Es ist auch überhaupt nicht nötig. Man kann mit leichterem und intelligenterem Training eine deutlich bessere Brust aufbauen und bleibt dabei auch noch verletzungsfrei.
Auch haben sich meine Beine jenseits des 3-4 Trainingsjahres, als ich auf Kniebeugen verzichtet habe, besser entwickelt, als davor. Kniebeugen, ähnlich wie Kreuzheben, sind eine tolle Ganz-Körper-Übung. Aber um die Beine zu trainieren, ist es nicht die geeignetste Übung.

3. Überbewertet das Essen nicht.
Meiner Erfahrung nach ist es völlig egal, ob ich 1g, 1,5g, 3g oder 5g Protein zu mir nehme. Ich habe NIE einen Unterschied bemerkt.
Auch bezüglich der Kalorien muss ich sagen, dass diese „Fress-Mentalität“ absolut Nichts bringt. Ich dachte früher auch „ich muss so viel essen wie nur möglich ist“ und habe bei 80kg Körpergewicht 5000 Kalorien gegessen. Das einzige, was es mir gebracht hat, waren 20kg Übergewicht.
Und wenn man sich einmal umguckt, dann sieht man doch vor allem ziemlich undefinierte Bodybuilder. Bei den wenigsten kann man die Bauchmuskeln sehen.
Man muss ja schließlich gaaaaanz viel essen. Und Hauptsache die Waage geht nach oben.

Am Ende verbraucht so ein Krafttraining erstaunlich wenig Kalorien und der Muskelaufbau geht derart langsam voran, dass man nicht 500 Extra-Kalorien am Tag braucht, nur weil man 3x die Woche eine Stunde Sport macht.

Folgende Rechnung veranschaulicht die Sinnlosigkeit des Fress-Wahns vielleicht ein wenig:
5kg Muskeln in einem Jahr aufzubauen ist schon sehr gut. Das sind pro Tag aber ca. 13,5g. Mal abgesehen davon, dass das Muskelwachstum nicht gleichmäßig über das Jahr verteilt sein wird, muss man sich doch mal überlegen, was für ein Aufwand manche Bodybuilder bezüglich ihres Essens machen. Wegen lächerlichen 13,5 GRAMM am Tag.

Auch dieses ganze Gerede von wegen „ Ich muss alle 2-3 Stunden meinen Körper mit Eiweiß versorgen“ ist kompletter Blödsinn. Als ob die Nährstoffe aus meiner letzten Mahlzeit nach 2-3 Stunden schon komplett verstoffwechselt währen.
Der Körper braucht ca. 24 Stunden um die Nahrung komplett zu verwerten. Wenn man also mal ein paar Stunden nichts neues isst, dann ist es ja nicht so, als ob der Körper keine Proteine oder Energie mehr hätte. Nahrung wird LAUFEND verwertet. Es sind IMMER genug Nährstoffe vorhanden. Im Magen, im Darm, in der Leber, und nicht zuletzt im Blut sind DAUERHAFT Aminosäuren vorhanden.

4. Alles steht und fällt mit der Genetik.
Der Grundton meiner Punkte 1-3 ist ja: Die ganzen Kleinigkeiten, auf die sich die meisten konzentrieren, sind vollkommen unwichtig. Trainiert einigermaßen vernünftig, esst mehr oder weniger normal, und wenn es mit dem Muskelwachstum dann nichts wird, habt ihr schlichtweg nicht die Genetik dafür!

Ich habe Leute gesehen, die sich jahrelang den A.rsch aufgerissen haben, bis ins kleinste Detail alles durchgeplant haben, aufs Gramm jeden Bissen Nahrung abgewogen haben, auf die Minute genau gegessen haben, und niemals ein Training haben ausfallen lassen. Jede Wiederholung wurde dokumentiert und analysiert. Und am Ende hatten sie einen leicht überdurchschnittlichen, aber bei weitem keinen extrem guten Körper.
Ich habe Leute gesehen, die inklusive Stoff ALLES ausprobiert haben, die NICHTS falsch gemacht haben, und wie ein durchschnittlicher Sportler ausgesehen haben.

Andere hingegen haben schei9e gegessen, schei9e trainiert, und sahen nach 3 Jahren Training wahnsinnig gut aus.
Entweder man hat die Veranlagung, oder eben nicht. Wenn ich sie nicht habe, ist es auch egal, ob ich 3 Mal am Tag esse, oder 5 Mal. Das macht dann auch keinen Unterschied.

Manche glauben, dass die Frage, ob sie 1,5 oder 2,5 Gramm Protein am Tag essen, den Unterschied zwischen einem 35cm und einem 45cm Oberarm macht. Und ob ich LH Rudern mit Ober- oder Untergriff trainiere ist auch nicht entscheidend dafür, ob man gut definierte 80 oder 100kg wiegt.

Dieses ganze Klein-Klein ist vollkommen unwichtig. Ob ich 3 oder 5 Mal am Tag esse, einen 3er oder 4er Split habe, ob ich Kniebeugen mache oder nicht, wird nicht DIE GANZ GROSSE Veränderung bringen. Hat irgendjemand schon mal einen Mega-Sprung gemacht, weil er EINE Übung ausgetauscht hat? Oder EINE Mahlzeit mehr gegessen hat? Oder EIN Gramm mehr Protein pro kg Körpergewicht mehr gegessen hat?

Ich habe in meinen 14 Jahren keine Unterschiede bemerkt. Und auch mit den duzenden Leuten, mit denen ich zusammen trainiert habe nicht….

Also: Geht die Sache locker an. Bodybuilding ist eine extrem simple Geschichte. Alle, die es verkomplizieren wollen euch irgendwas verkaufen.
Ob das Zeitschriften sind, oder Supplement-Hersteller, oder you-tube-fuzzies. Diese Leute müssen natürlich so tun, als ob Bodybuilding was ganz kompliziertes ist und dass es auf Kleinigkeiten ankommt. Tut es aber nicht!