Immer und immer wieder liest man, dass Kinder und Jugendliche im pubertären Alter nur Übungen ausführen sollen, bei welchen der Widerstand durch das eigene Körpergewicht limitiert ist.

Das ist sicher eine Aussage, die auf den ersten Blick plausibel erscheint. Die Jugendlichen im Wachstum überlasten sich augenscheinlich nicht durch schwere Ganzkörperübungen wie z.B. Kreuzheben oder Kniebeugen.
Dass die häufig getätigten Trainingsempfehlungen keinerlei wissenschaftliche Grundlage besitzen ist den alteingesessenen Theoretikern ziemlich egal. Früher wurde gepredigt, dass man nur Liegestütz, Sit-ups, Klimmzüge und Ähnliches machen darf, dann ist das heute eben auch so.

Recherchiert man ein wenig und versucht heraus zu finden, worauf sich derlei Trainingsempfehlungen stützen, so wird die Antwort sehr nüchtern ausfallen.
Ein Herr namens Claparede wirkte Anfang des 20. Jahrhunderts und postulierte unter anderem, dass Kinder keiner schweren körperlichen Belastung ausgesetz werden dürften. Von der Trainingspraxis hatte er jedoch nicht sehr viel Ahnung. Er selbst war Psychologe und Pädagoge. Als Pädagoge war die damals sehr weit verbreitete Kinderarbeit ihm besonders ein Dorn im Auge. Jugendliche mussten sich durch enge Stollen zwängen und Loren vor sich her schieben. Andere mussten in Brauereien alte Fässer auf Vordermann bringen und sich hypoxischen Bedingungen aussetzen.

Er sagte, dass Kinderarbeit gefährlich sei, da das Wachstum durch schwere körperliche Arbeit gestört würde; der Vergleich zum Krafttraining kam im Laufe der Zeit.
Die Aussage „nur mit dem eigenen Körpergewicht“ an und für sich ist aberwitzig.

Was ist das eigene Körpergewicht?
Wie sieht es mit einarmigen Klimmzügen aus? Ist die Belastung dort geringer als bei schweren Klimmzügen mit Zusatzgewicht?
Wie ist es mit einbeinigen Kniebeugen? Sind diese für das Knie gesünder als normale Squats?

Alles immer noch Übungen mit dem eigenen Körpergewicht!!

Schafft ein Jugendlicher Beispielsweise 12 Liegestütz und man misst bei ihm die Gelenkkräfte so korrelieren diese signifikant mit den Gelenkkräften vom normalen Bankdrücken im RM12 Bereich.
Warum also Liegestütz machen und kein Bankdrücken?

Kinder und Jugendliche dürfen draußen rumtoben, im Wald rennen oder von Bäumen herunter springen.
Die Kräfte bei Niedersprüngen in den Knien sind bei diesen jedoch signifikant höher, als bei beispielsweise Kniebeugen. Seilchenspringen müsste demnach zu sofortiger Kniearthrose führen, da die Rate of Force Development (Die Zeitspanne, in der die Kraft aufgebracht wird) um ein vielfaches höher ist, als bei bspw. Kniebeugen.

Knochen und Knorpel benötigen jedoch diese Art von Impact Belastungen, um ihre Struktur längs der Belastungsrichtung zu verstärken und aufzubauen.
Krafttraining erhöht ebenfalls die Knochendichte und Knochenmasse. Gerade im Wachstum ist eine Zunahme der Knochendichte besonders wichtig, da Versäumnisse jenseits des 30. Lebensjahres nur sehr schwer kompensiert werden können.

An die Frauen: Osteoporoserisiko!

Sicher sind die freien Grundübungen gefährlich, WENN die Technik falsch ist. Dann kann man sich verletzen und die Gelenke schädigen. Das ist jedoch ein Fakt, welcher bei Erwachsenen auch gegeben ist.

Schlechte/unphysiologische Technik führt zu degenerativen Veränderungen, ganz gleich in welchem Alter.
Ein großes Problem sollte man bei Sportlern im pubertären Alter aber nicht außer Acht lassen.
Das Ego.
Es ist sehr verlockend, die Trainingsgewichte schnell zu erhöhen, wenn es um den Wettstreit mit dem Klassenkameraden aus der Parallelklasse geht. Als Folge leidet die Technik und es kommt zu gravierenden Fehlern in dieser.
Wer ins Gym geht, muss das Ego draußen vor der Tür lassen. Das gilt für Erwachsenen ebenso.
Bei Jugendlichen ist die Gefahr der zu schnellen Steigerung jedoch höher.

Die Wachstumsfugen würden sich bei schwerem Krafttraining schließen, hört man sehr sehr oft.

Warum genau sollte das so sein? Es gibt keinerlei wissenschaftlich validen Zusammenhang zwischen dem schweren Krafttraining und dem Schließen der Wachstumsfugen. Warum sollten sie sich auch schließen, wenn die Kräfte beim Herumtoben in der Freizeit um ein Vielfaches höher sind?
Dann hätten die Menschen vor der Industrialisierung, bevor sich ein sitzender Lebensstil verbreitet hat, höchstens 1,60m groß werden dürfen.

Sicher gibt es viele kleine Kraftsportler-aber seien wir ehrlich:
Dass Steroide das Wachstum einschränken/stoppen, ist kein Geheimnis. Dieses jedoch ist ein anderes Thema.

Also ran ans Eisen und möglichst früh viel Potential ausnutzen:
-mit sauberer Technik
-einem guten Trainer und
-dem Wissen, dass ein zu großes Ego uU. eher kontraproduktiv ist

Wenn ich die nächsten Tage Zeit finde, such ich ein paar Studien raus, damit auch alle Theoretiker und Zweifler ihre wissenschaftliche Quelle bekommen.