Je nach Beugewinkel in den Knien können hohe, halbe und tiefe Kniebeugen unterschieden werden (vgl. u. a. Hartmann & Tünnemann, 1990; Gottlob, 2001; Pernitsch & Brunner, 2006). Die tiefe oder ganze Kniebeuge wird hierbei als eigentliche Kniebeuge verstanden (deshalb häufig das Gezeter diverser Pseudoexperten, die sich nicht damit abfinden können, dass es mehrere Optionen gibt und nicht jeder ein Kraftdreikämpfer ist), bei welcher mindestens soweit gebeugt wird, dass die Oberschenkel etwa parallel zum Boden stehen (Gottlob, 2001; Killing, 2003; Pernitsch & Brunner, 2006). Bei einer optimalen Ausführung wird soweit in die Hocke gegangen, bis sich die Hüfte (Hüftgelenkspfannen) unter der oberen Kniekante befindet und nicht so tief ist, dass die Oberschenkelrückseite am Unterschenkel aufliegt. Der Knieinnenwinkel beträgt dabei ungefähr 60-80° (Tiefkniebeuge). Die halbe Kniebeuge endet bei ca. 80-100° (Oberschenkel ist knapp über der Waagerechten) und die hohe Kniebeuge 100-120° (Pernitsch & Brunner, 2006).
Unter dem Aspekt der Kniebelastung kann keine der drei Ausführungsvarianten besonders favorisiert werden. Dessen ist sich die Fachliteratur größtenteils einig. Und etwas anderes behaupten wir im Übrigen auch nicht.
Um die Kniegelenke bei der Ausführung zu entlasten, wird der Rumpf über die Hüftgelenke weiter nach vorne gebeugt, jedoch ohne seine physiologische Hohlkreuzhaltung aufzugeben. Durch diese Haltung ist der Abstand der Kniegelenke zur Hauptlastrichtung kleiner und damit die Drehmomentbelastung im Knie geringer. Aufgrund der physiologischen Hohlkreuzhaltung wird die Hauptlast in der Wirbelsäule axial abgeleitet. Jedoch liegen höhere Scheerkräfte vor, die nur über eine intakte Faszienverspannung und über einen Facettengelenkschluss physiologisch abgeleitete werden können (entsprechende anthropometrische Daten [s. u.] vorausgesetzt).
Die höchsten Lasten werden von den Powerliftern in diesem Stil vollbracht, da die hüftstreckende Muskulatur höhere Kraftwerte als die kniestreckende entfalten kann (Gottlob, 2001).
Und genau diese ventrale Rumpfbeugung lässt sich bei Hackenschmittkniebeugen nicht realisieren, weshalb hier besser von einer tiefen Ausführung abgesehen werden sollte.
Unter welchem Aspekt sollte aber nun im Fitnesssport eine Kniebeugenvariante ausgewählt werden?
Ganz klar - die Ausführung der Kniebeuge sollte den individuellen anthropometrischen Verhältnissen angepasst werden. Personen mit kurzem Oberschenkel und langem Oberkörper können auch bei tiefer Ausführung den Rücken aufrecht halten. Personen mit langem Oberschenkel und kurzem Oberkörper müssen sich bei der tiefen Kniebeuge weit nach vorne beugen. Dies führt zu einer verstärkten Belastung des unteren Rückens.
Bei genauer Beobachtung der Ausführung einer tiefen Kniebeuge gibt es einen Punkt, an dem der Kniewinkel unverändert bleibt und nur noch der Hüftwinkel kleiner wird. An diesem Punkt, der von dem Verhältnis Oberschenkellänge zu Rumpflänge abhängt und von der Körpergröße unabhängig ist, sollte das Tiefgehen beendet werden (W.-U. Boeckh-Behrens & W. Buskies, 2002).
Es wäre also grundverkehrt, jedem Kunden pauschal eine tiefe Kniebeuge zu empfehlen. Hier muss ganz eindeutig differenziert werden. Da wir jedoch unmöglich jeden einzelnen Kunden biomechanisch vermessen können, gehen wir auf Nummer sicher und propagieren ergo halbe Kniebeugen. Denn die halbe Kniebeuge kann jeder Kunde unabhängig von seinen anthropometrischen Voraussetzungen durchführen.
Zum Bankdrücken
Eine nicht unerhebliche Verletzungsgefahr beim Bankdrücken liegt in dem Risiko der Überdehnung der vorderen Band- und Kapselstrukturen des Schultergelenks.
Das Schultergelenk wird nach vorn hauptsächlich durch die Gelenkkapsel und die labiohumeralen Bänder gesichert. Das ligamentum coracohumerale, das vom Rabenschnabelfortsatz (processsus coracoideus) zum Kopf des Oberarmknochens zieht, ist ein weiteres direktes Schultergelenksband, das den vorderen Gelenkabschnitt verstärkt. Das ligamentum coracoacromiale, das vom Rabenschnabelfortsatz zur Schulterhöhe verläuft, sichert den Oberarmkopf zusätzlich nach oben, z.B. beim Aufstützen der Arme.
Beim tiefen Bankdrücken wird die Langhantel häufig so tief gesenkt, bis sie die Brust berührt. Dabei wird der Kopf des Oberarmknochens nach vorn gegen die Gelenkkapsel und das ligamentum coracohumerale gedrückt. Hohe Gewichte bedeuten dabei ein Verletzungsrisiko für die Gelenkkapsel und die betroffenen Bänder, deren Überdehnung relativ häufig vorkommt und oft lang andauernde Beschwerden mit sich zieht. Das Verletzungsrisiko wird durch ein weniger tiefes Absenken der Langhantel erheblich verringert. Dabei wird die Hantelstange nur so tief gesenkt, bis die Oberarme mit der Schulter eine Linie bilden. Je nach Größe des Brustkorbs des Trainierenden wird die Hantel also einige Zentimeter vor der Brust gestoppt. Athleten von Kraftdisziplinen haben häufig eine so gut entwickelte Brust- und Rückenmuskulatur und einen so großen Brustkorb, dass sie die Hantel bis auf die Brust absenken können, ohne in eine gesundheitsgefährdende Position für das Schultergelenk zu kommen. Ein ähnliches Verletzungsrisiko wie beim Bankdrücken tritt auch bei der tiefen Ausführung der Übungen Dips, Fliegende und Butterfly auf und sollte jeweils durch eine nicht zu tiefe Bewegungsausführung vermieden werden, EMG-Vergleiche von Übungen mit tiefer und nicht tiefer, gesundheitsschonender Ausführung zeigen bei gleichem Gewicht keine großen Intensitätsunterschiede, so dass durchaus auf die tiefe Ausführung verzichtet werden kann, ohne Effektivitätsnachteile befürchten zu müssen. Die Effektivität wird bei der nicht tiefen Ausführung vermutlich sogar höher sein, da ein größeres Gewicht bewältigt werden kann (aus: Boeck-Behrens / Buskies, Universität Bayreuth 2003).
Für weitere Fragen stehen wir zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dein McFit-Team
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